Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz (Oświęcim)

2022

Anreise: Mittwoch, 22.6.2022

Wir starteten in aller Herrgottsfrühe mit den Schüler*innen und der Lehrerin der Ev. Schule Köpenick zur gemeinsamen Busfahrt nach Oświęcim (Auschwitz). Ursprünglich sollten wir 22 Schüler*innen und zwei Lehrkräfte sein, aber Corona und andere Krankheiten machten 7 Personen einen Strich durch die Rechnung, sodass wir nur noch insgesamt 17 Personen waren, die sich einen Bus für 50 Personen teilen konnten. Die Fahrt sollte über 8 Stunden dauern, denn auch auf polnischen Autobahnen wird viel gebaut.

Angekommen in der Internationalen Jugend- und Begegnungsstätte (IJBS) wurden wir mit einem warmen Mittagessen empfangen und bezogen anschließend unsere Zimmer. Danach wurden wir von Mitarbeiterinnen der IJBS begrüßt. Der Begrüßung folgte ein Stadtrundgang, der von einer Freiwilligen von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste durchgeführt wurde und die uns in der ILBS stetig begleitete. Teil des Stadtrundganges durch Oświęcim war der Besuch des Jüdischen Zentrums und derSynagoge „Chevra Lomdei“, durch den wir Einblicke in das ehemalige, vielfältige jüdische Leben Oświęcims erhielten.

Zur weiteren Einstimmung auf Ort und Thema schauten wir nach den Abendessen den Film „Am Ende kommen Touristen“, der teilwiese in der IJBS spielt.

K.Harke

Donnerstag, der 23.06.2022: Stammlager Auschwitz I

Am Donnerstag konnten wir alle erstmal ausschlafen und den Vormittag nutzen, um uns auf den Besuch des Stammlagers Auschwitz 1 vorzubereiten. In großer Runde machten wir mit Frau Petersen und Herrn Harke u.a. kleine Sprachübungen, damit wir wenigstens die einfachsten Wörter auf Polnisch mal gesprochen haben. Danach kamen unsere Erwartungen an den Besuch der KZ-Gedenkstätte zur Sprache und da wir in der Gedenkstätte auf viele persönliche Gegenstände von Opfern treffen sollten, machten wir eine kleine Übung, bei der wir kurz darstellen sollte, was der Schuh unseres Nachbarn/unserer Nachbarin über die Person aussagt. So etwas Ähnliches hatten wir schon in der Vorwoche im „Haus der Wannseekonferenz“ gemacht. Dort handelte es sich jedoch um alte uneindeutige Fotos von Deportationen, bei denen wir z.B. erkennen und erklären sollten, wer deportiert wurde und wer nicht.

Um ca. 14:00 ging es dann los zum Stammlager. Wir konnten dorthin laufen, da unsere Unterkunft in der Nähe lag. Als wir ankamen, sahen wir den Eingang und waren erstaunt, wie gut alles in Stand gehalten war. Um in die Ausstellung zu kommen, mussten wir erstmal eine Sicherheitsschleuse passieren, es hat sich angefühlt wie in einem Flughafen. Dann ging auch schon die Führung durch das Stammlager und dessen Ausstellungen los. Das Stammlager ist damals aus einer ehemaligen polnischen Militärkaserne entstanden. Hier wurden zwischen 1940-45 zwischen 60-70.000 Menschen durch Zwangsarbeit mit Unterernährung, Erschießung, medizinische Versuche und schließlich auch Vergasung umgebracht, darunter Menschen aus dem polnischen Widerstand, russische Kriegsgefangene und für diesen Standort vergleichsweise wenig jüdische Menschen. Unser Guide hat uns durch die thematisch geordneten Lagerblöcke geführt, man hat nochmal mehr Infos bzw. Zusatzwissen erhalten und die einzelnen Ausstellungen waren verständlich bzw. gut dargestellt, um zu sehen, wie es zu der Zeit war. Mich haben allerdings, und viele andere auch, die Ausstellungen mit dem Berg von Haaren und die Ausstellung mit den Schuhen von Umgebrachten berührt. Vor allem bei den Schuhen, da diese nur von 2 Tagen sind, und ich fand das ziemlich erschütternd. Es ist kaum vorstellbar, dass die Lagerbedingungen im Vergleich zu Auschwitz-Birkenau als „paradiesisch“ bezeichnet wurden, weil die Überlebenschance in diesem Lager deutlich höher war.

Am Abend, nach dem Abendessen, haben wir dann auch nochmal alle über den Tag gesprochen und wie wir das fanden und was uns alle so mitgenommen hat. Das fand ich auch wichtig und sollte generell nach solchen Veranstaltungen gemacht werden.   

                     Simon Stein/K. Harke

Was Kinderaugen sehen mussten….

Freitag, 24.6.22: Auschwitz, Birkenau

Mit Verantwortung wird der Umstand bezeichnet, dass jemand gegenüber einer Instanz für sein Handeln Rechenschaft abzulegen hat. (Ansätze der Kollektiv- und Systemverantwortung nach Hans Jonas)

Früh, kurz nach Öffnung der Gedenkstätte erreichen wir das Eingangstor, durch das einst unzählige Zugwagons fuhren. Der Ort, so scheint es ist verlassen, karg und vor allem staubig.

Wir beginnen unseren Rundgang über das Gelände und darüber hinaus, besuchen die ersten Baracken und führen unseren Weg fort. Einmal blicken wir zurück und sehen den Torbogen.

Links davon ein viel imposanter wirkendes Haus, früher lebten Offiziere darin, ein Mensch mit großer Verantwortung, ein Mensch, der für den Tod von Tausenden zur Verantwortung gezogen werden sollte. Heute ist in diesem Haus eine Kirche, ein großes Kreuz auf dem Dach des Hauses begleiten einen den Tag über. Wir erfahren, dass sich nach dem 2. Weltkrieg fast niemand für das Gelände und dessen Gebäude interessiert hat. Die benachbarte katholische Gemeinde benötigte Räume für ihre Gottesdienste, Mittel gab es dafür nicht, also wurde nach dem Krieg das genommen, was einfach herzurichten war. Heute ist die Nutzung der Kommandantur als Kirche ein ungelöster Konflikt, um den heftig gestritten wird.

Wir gehen weiter, sehen die kaum erhaltenen Gaskammern mit den Krematorien, das weiße und das rote Haus, die als erste Gaskammern genutzt wurden.

Wir betreten das Haus in dem, den im Arbeitslager Gefangenen, das genommen wurde, was sie zu einmaligen Persönlichkeiten machte. Ihre Namen ersetzt durch eine Nummer, ihre Kleidung ersetzt durch die des Arbeitslagers, Häftlingskleidung. Privatgegenstände konfisziert und die Kleidung „desinfiziert“.

Dampfdesinfektionskessel

Auf der anderen Seite gegenüberliegen von dem Torbogen gibt es heute ein Mahnmal: wirre Formen treffen hier aufeinander doch keine Form lässt sich verbinden.

Die Taten, die an diesem Ort passierten, werden hier wieder gespiegelt, doch niemals wird eine dieser Tat ernsthaft und plausibel zu begründen sein. Es gibt keine rechtfertigende Entschuldigung, so werden sich auch die Formen nie verbinden.

Schwer ist es mir gefallen hier die richtigen Worte und den richtigen Ton zu treffen. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, von jedem Ort berichten, den wir besichtigt haben. Der Leser/die Leserin soll nicht das Gefühl haben nun auch an diesem Ort gewesen zu sein, mir ist es wichtig, das Erlebnis an diesem Ort anzuschneiden.

Ich kann empfehlen, sich diesen Ort selbst einmal anzusehen und mit ganz eigenen Sinneseindrücken wahrzunehmen und nachzuvollziehen.

Toni Zibell/K. Harke

Samstag, 25.6.2022: Workshoptag

Am Samstag, an unserem letzten Tag, sind wir um 8 Uhr Frühstücken gegangen, weil um 9 Uhr unser Workshop begann.

Unser Workshop befasste sich mit dem Leben und Leiden von Henryk Mandelbaum, einer von 111 Überlebenden eines 2000 Häftlinge umfassenden Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau.

Henryk Mandelbaum war auch Zeitzeuge, der bis zu seinem Tod 2008 über seine Arbeit im Sonderkommando berichtete. Er musste buchstäblich im innersten der Hölle arbeiten und die Ermordeten Männer, Frauen und Kinder aus den Gaskammern zerren, ihre Körper in den Verbrennungsöfen und –gruben verschwinden lassen und deren Asche restlos beseitigen. Der eindringlichste Satz: „Wir arbeiteten und weinten!“ Details dessen, was er in einem Video zu Protokoll gab, ist unfassbar grausam und übersteigt jede Vorstellungskraft. Aber wir waren gestern an den Orten, wo er und andere dies alles durchleben mussten und sahen die Dokumente und Zeugnisse.

Der Nachmittag stand bis 18 Uhr zur freien Verfügung. In dieser Zeit hatten wir den Auftrag, eine von zwei Dokumentationen anschauen (Thema: Umgang mit der Vergangenheit und jüdische Leben in Deutschland heute), um vor dem Abendbrot eine Reflexion der gesamten Woche zu machen, bei der wir unter anderem auch über die zwei Dokumentationen sprachen.

Abschließend sollten wir alleine oder als Gruppe auf drei verschiedenen Blättern aufschreiben, was uns verstört oder überrascht hat, was uns gefiel und was uns nicht so gefiel, aber auch Verbesserungen konnten wir aufschreiben.

Auch in dieser Runde durften wir alles sagen was uns beschäftigt und wie wir uns nach der Woche fühlten.

Es war ein vergleichsweise ruhiger Tag, der aber sehr wichtig war.

Am nächsten Tag traten wir nach dem Frühstück die Rückreise nach Berlin an.

Miriam Zimmermann/K.Harke

Wir streben an, die Fahrt-Kooperation mit der Ev. Schule Köpenick fortzusetzen und um eine Kooperation zu polnischen Jugendgruppen zu erweitern. Die Koordination wird dadurch sicherlich schwieriger, der Fokus der thematischen Auseinandersetzung sicherlich deutlich größer.

K. Harke

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